Chris’ Szenario
ES IST DER 31.7.2013, ich werde wach durch fluffige Beats und den ersten Sonnenstrahl aus dem Fenster. Ich gehe kurz auf den Balkon, strecke mich, ziehe meine Sportsachen an, wecke meinen 8-jährigen Sohn und wir gehen beide aus unserem Haus. Er auf Inlinern, ich jogge, dabei höre ich ihn spanische Vokabeln ab. Wir holen Brötchen und duschen zuhause, ich stecke mich in meinen Anzug, wie immer in ein weißes Hemd, ich mache Frühstück und wecke dabei meine Frau. Mein Sohn hilft meiner Tochter, 6, beim Packen und wir frühstücken zu fünft, mit dem argentinischen Au-pair-Mädchen. Wir besprechen den Tag, unsere Pläne und das kommende Wochenende in Tasmanien mit Freunden aus Ecuador und Deutschland. Verabschiedung, Verabredung für den Abend und ich nehme den 1l-Smart für die Fahrt ins Büro in einem anderen, zentraleren Vorort von Sydney/Kapstadt/San Diego.
Das von mir eingerichtete Büro stelle ich schnell um, was leicht ist, da die Möbel Rollen haben. Die langen Holzdielen durch die Räume machen das ganze sehr groß, obwohl die Zimmer nicht riesig sind. Luft strömt leise durch die geöffneten Fenster, durch den Medienraum, die Cafeteria/den Meetingraum und die beiden Arbeitszimmer von mir und meiner Assistentin sowie den beiden Projektbeauftragten. Die sind heute unterwegs, einer in Neuseeland, einer auf den Philippinen, eine Telefonkonferenz gibt Raum für unsere News und Abstimmungen. Danach checke ich telefonisch noch meine heutigen drei Termine, buche im Internet einen weiteren Teil meiner Reise nach Zentralasien übernächste Woche.
Dorthin möchte ich als EU-Beauftragter für den Export und die Entwicklung elektronischer Musikkultur für die Durchführung mehrerer Konferenzen zum Thema des Senior-Coachings – ältere erfahrene Menschen begleiten junge Menschen im Austausch ihrer Musik, die inzwischen als Kreativitätsquelle und positiver Grundton eines neuen Weltbürgertums genutzt wird. Nachdem ich dazu einige Gedanken in das Laptop gehackt habe, trinke ich einen Kaffee mit meiner Assistentin, die mir von ihrem großen privaten Projekt – dem Verfassen eines Buches – erzählt.
Auf meinem Weg zu unserem nächsten Event an der Oper zum Thema „Streetwear und Medizin“ gebe ich meiner Assistentin telefonisch noch einen Tipp für ihr Buchcover, den ich vergaß ihr zu sagen. Der Aufbau läuft gut, die Techniker sind fleissig, es klappt soweit alles, bis ich per Videomessage auf meinem Handy die Absage eines DJ-Kollektivs erhalte. Das, denke ich, ist die Chance für die beiden jungen Vietnamesen, ihre Werke hier vorzustellen. Sie stimmen telefonisch spontan zu. Zum Lunch treffe ich mich dann mit dem Kulturbeauftragten Malaysias, wir planen ein Event mit dem Berliner Synphonieorchester und den DJs Carl Cox, Richie Hawtin und Sven Väth in Kuala Lumpur in vier Monaten. Das Sushi ist genial. Wir kombinieren das Ereignis mit einem Radrennen und einigen Stars, die unentgeltlich für ein Krankenhausprojekt mitradeln und ihre Fahrräder danach versteigern dürfen. Nach diesem Meeting, bei dem mein Gast Bedenken wegen eines deutschen Kulturimperialismus zugibt, die ich unter Hinweis auf das Ausgangsmaterial für die Kompositionen und die Beteiligung Einheimischer zerstreuen kann, setze ich mich mit dem Notebook ans Wasser und plane letzte Einzelheiten für das kommende private Wochenende.
Bei einem kurzen Treffen mit einem Journalisten gebe ich zu, daß es hier vor Ort bei unserem letzten Event weniger um Inhalte als um Genuß für die anwesenden Kinder und Erwachsenen ging. Per Videokonferenz führe ich die Abschlußbesprechung einer weiteren zurückliegenden Veranstaltung in Tikrit mit dem irakischen Kulturminister durch. Meine Kollegen freuen sich mit mir über das Lob, wir geben uns danach noch mal offen Feed-back. Der Herr Minister meinte noch, daß unser Austausch sehr fruchtbar für ihn und die Gäste gewesen sei.
Danach steht – wieder im Büro – das Wochenmeeting mit dem EU-Außenminister – Joschka Fischer im letzten Jahr seiner Amtszeit – an. Er fragt nach Ergebnissen und Planungen, die ich ihm nenne. Er gibt noch einen Tipp für den neuen gesamt-koreanischen Kulturattachée in Brüssel, den ich ebenfalls in zwei Wochen in Seoul treffen werde. Wir freuen uns insbesondere über die Aufnahme unserer Aktivitäten ins ASEAN-Jahrbuch, in dem die Bedeutung kultureller Kooperationen im Umfeld elektronischer Musik hervorgehoben wird. Nachdem ich das Gesprächsprotokoll an meine Kollegen mailte, diskutiere ich noch mit meiner Assistentin über ihren respektablen Vorschlag der Kombination von Verteilungsgerechtigkeit und Musikkultur, den ich sie bitte auszuarbeiten. Dabei sichere ich ihr Verschwiegenheit und Vertrauen zu, wie ich es von Joschka für meine Idee eines UNO-DJ-Gipfels erhielt und erhalte, bis die nötigen Vorgespräche gelaufen sind.
Nun aber schnell meinen Sohn abholen, wir wollen noch gemeinsam seinen Gemüsegarten pflegen. Danach grillen wir zu fünft Lachssteaks, Gemüse und Kartoffeln, sprechen viel in der Familie (meine Tochter fragt u.a. nach der Entstehung, Anfand und Ende der Love Parade, die ich ihr erkläre) und die Kinder gehen ins Bett. Meine Frau und ich genießen noch ein Glas Wein mit neuen Beats aus Mexiko im Garten, nachdem wir beide uns in unsere Freizeitkleidung packten. Diese zwei Stunden gemeinsamen Redens und Telefonierens sind uns sehr wichtig, bevor wir uns fertigmachen und zusammen ins Bett gehen. Wir kuscheln, lesen und dann schlafe ich ein.
Meine größte Hürde der letzten zehn Jahre war die Ernennung zum EU-Beauftragten. Ich erhielt sie dadurch, daß ich beim Treffen in Tel Aviv vor vier Jahren überzeugend den Regierungsvertretern zeigte, wie positiv und produktiv in sozialer, kultureller und wirtschaftlicher Perspektive ein gemeinsamer Ansatz der Entwicklung und des Exports elektronischer Musikkultur für eine Weltbürger- oder zumindest europäischen Identität sein wird.
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