Sonntag, August 15, 2010

Zeit zu leben

Heute möchte ich auf ein Angebot hinweisen, das ich seit längerer Zeit immer mal wieder wahrnehme und das für viele Themen des Lebens griffige, klare Handlungs- und Denkmöglichkeiten bietet: Zeit zu leben. Unter anderem wird ein wöchentlicher Newsletter angeboten, aus dem ich heute einmal zitieren möchte; darin schreibt Ralf Senftleben und seine Worte und die Geschichte sind mir ganz nah:

"Neulich auf dem Markt kaufte ich gerade Erdbeeren. Die Marktfrau begrüßte eine Frau mit ihrer Tochter und rief zu der Tochter: "Ja, Leonie, wie schön, du bist ja ohne Kopftuch! Und schau, du hast Locken bekommen, wie hübsch du bist.! Na, gar nicht so schlecht, mal ganz neue Haare zu bekommen, was?"

Das Mädchen lachte.

Und mir standen Tränen in den Augen.

Mich hat diese kleine Begebenheit tief berührt. Das Mädchen war vielleicht 8 oder 9 Jahre alt. Mit 8 oder 9 Jahren schon Krebs. Chemotherapie. Den Tod auf der Schwelle sitzen haben.

Und da jammere ich so oft über die kleinen Nickeligkeiten des Lebens. Da sitze ich und bin unzufrieden wegen nichts. Da blase ich kleine Sorgen zu riesigen Ballons auf. Da beschwere ich mich über kleine Ärgernisse. Da vergesse ich immer wieder, wie kostbar das Leben ist und wie dankbar ich sein kann.

Natürlich sind die eigenen Bauchschmerzen immer die schlimmsten. Aber die eigenen Ursachen für Unzufriedenheit oder Frust in Relation zu setzen mit dem, was andere zu bewältigen haben, kann sehr heilsam sein.

Leonies Lachen und ihre neue Locken werden mich noch lange begleiten. Ich bin ihr dankbar für die Lektion, die ich von ihr erhalten habe, ganz ohne, dass sie weiß, mir eine erteilt zu haben.

Auch mit der Marktfrau gab es noch einen innigen Moment. Auch ihr standen Tränen in den Augen, als Leonie weitergegangen war. Und für einen Moment waren wir uns ganz nah – ohne uns überhaupt zu kennen.

So geht mein Dankeschön auch an sie für diesen Moment der Verbindung und dafür, dass sie meinen Blick auf die kleine Leonie gerichtet hat."